"Die Vielfältigkeit gefällt mir besonders an meinem Beruf"
Hagen – berufsbegleitende Ausbildung zum Heilerziehungspfleger
Hagen hat über 2 Jahre als Quereinsteiger im Gruppendienst des Moltke-Hauses – ein Wohnangebot für erwachsene Menschen mit frühkindlichem Autismus in den Oberlin Lebenswelten – gearbeitet. Dann hat er mit finanzieller Unterstützung durch die Oberlin Lebenswelten eine berufsbegleitende Ausbildung zum Heilerziehungspfleger (HEP) in den Oberlin Beruflichen Schulen begonnen. Wie es dem 41-Jährigen seither geht, erzählt er hier.
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Frage 1: Wie bist du ins Oberlinhaus gekommen?
Ich bin gelernter Bäckermeister. Als meine Tochter auf die Welt kam, konnte ich nachts nicht mehr arbeiten und ich fing an, mich beruflich umzuorientieren. Zunächst habe ich eine sonderpädagogische Zusatzausbildung gemacht. Über das Arbeitsamt wurde ich dann auf das Moltke-Haus aufmerksam. Beim Probearbeiten wurde mir klar: Das ist voll meins!
Das war so ein angenehmer Einstieg und überhaupt nicht so dramatisch, wie es mir vorher berichtet wurde. Vorher hatte ich auch Sorge, dass ich als alleinerziehender Vater Probleme bekomme, weil ja auch hier Schichtdienst angesagt ist. Aber zum Glück wird mit rollierenden Dienstplänen, die eine langfristige Planung ermöglichen, auf individuelle Wünsche der Mitarbeitenden Rücksicht genommen. So mache ich meistens Frühdienst und Spät- oder Nachtdienste nur ab und zu.
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Frage 2: Was gefällt dir besonders an deinem jetzigen Job?
Wir unterstützen die Klienten, die im Moltke-Haus leben, ein möglichst eigenständiges Leben zu führen und assistieren bei vielen alltäglichen Dingen wie Hygienemaßnahmen, Essenssituationen u. a. Wir begleiten den Klienten durch den Tag und gucken, was er möchte, wie z. B. spazieren gehen. Weil viele Bewohner nicht sprechen können, kommunizieren wir auf unterschiedlichste Art und Weise: Entweder mit Gebärden, mit Bildern oder Bezugsobjekten, wenn z. B. jemand einen Kakao möchte. Das ständige Hinterfragen „Was möchte der Klient?“ begleitet einen den ganzen Tag.
Die Vielfältigkeit gefällt mir besonders an meinem Beruf. Es geht nicht darum, jeden Tag zig Maßnahmen abzuarbeiten, sondern immer darum, wie sich der Klient fühlt und was er heute möchte. Darauf gehen wir individuell ein. Zum Beispiel hatte ein Klient neulich Geburtstag und wir sind spontan in die Therme nach Luckenwalde gefahren, weil ihn sein ursprüngliches Geschenk nicht interessiert hatte. Für mich und ihn war die Situation total neu: Aber es hat ihm gefallen und sein Lächeln zu sehen war einfach herrlich.
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Frage 3: Da kam die finanzielle Unterstützung für eine berufsbegleitende Ausbildung wie gerufen, oder?
Nachdem ich 2 Jahre als Mitarbeiter im Gruppendienst gearbeitet hatte, bekam ich die Möglichkeit, eine berufsbegleitende Ausbildung zu beginnen, die durch die Oberlin Lebenswelten finanziert wird. In vorherigen Gesprächen mit der Leitung ging es immer mal wieder um das Thema Ausbildung, die ich wirklich gern machen wollte. Aber ich bekam das finanziell nicht unter einen Hut: Man muss das Schulgeld bezahlen und hat zeitgleich einen Verdienstausfall, da man durch die Schule nur noch drei Tage die Woche arbeiten kann. Und das ging einfach nicht, mit einer kleinen Tochter zu Hause.
Dann las ich die Ausschreibung zur berufsbegleitenden Ausbildung mit finanzieller Unterstützung durch den Arbeitgeber. Das Tolle daran: Ich kriege das Schulgeld bezahlt und während meiner Ausbildung das gleiche Gehalt wir zuvor! So kann ich die Ausbildung letztlich doch noch machen, weil die finanzielle Lücke, die durch den Verdienstausfall entsteht – ich habe vorher 35 Stunden die Woche gearbeitet, jetzt während der Ausbildung sind es noch 24 Stunden – vom Arbeitgeber ausgeglichen wird.
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Frage 4: Wie gefällt dir die Ausbildung in den Oberlin Beruflichen Schulen?
Ich bin echt zufrieden und es macht Spaß! Ich lerne jetzt fachlich alles von der Pike auf, was ich vorher eher aus dem Bauch heraus entschieden habe und wir reflektieren viel. Wenn ich heute einen Klienten beobachte und mich frage, was er wohl hat, gucke ich jetzt ganz anders darauf und kann mehr Wissen abrufen, um darauf zu reagieren.
Die Klasse ist cool – wir haben einen guten Klassenzusammenhalt. Schön ist auch der Austausch mit Mitschülern, die in anderen Bereichen der Oberlin Lebenswelten oder anderen Trägern tätig sind. Außerdem gefällt mir die Atmosphäre auf dem Campus in der Steinstraße echt gut. Denn hier wird Inklusion gelebt, was leider in vielen Stadtteilen noch fehlt. Hier hat jeder seine Berechtigung so zu sein, wie er ist.
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Frage 5: Warum würdest du jungen Menschen eine Ausbildung als HEP empfehlen?
Es gibt so viele verschiedene Bereiche, wo Heilerziehungspfleger arbeiten können. Auch lernt man im Beruf einfach viel fürs Leben allgemein. Meine Tochter findet meine Arbeit auch super spannend. Neulich sollte ich für sie „Alles Gute zum Geburtstag“ gebärden. Durch meine Arbeit wird Toleranz gegenüber der Vielfalt des Lebens gefördert. Schon meine Tochter nimmt durch meinen Job ganz viel mit und hat keinerlei Berührungsängste im Umgang mit Menschen, die vielleicht anders sind als sie. Das ist normal für sie und sollte es für alle sein! Ich würde mir wünschen, dass mehr HEP´s in Schulen gehen und dort Aufklärung betreiben, um Vorurteile abzubauen und den Weg für Inklusion zu ebnen.
Um noch mehr junge Menschen für diesen Beruf zu begeistern, müsste die Ausbildung aber generell gestärkt werden. Ich komme ja ursprünglich aus dem Handwerk und da gab es ein duales System – Ausbildungsbetrieb und theoretischer Unterricht – und vor allem eine Ausbildungsvergütung. Mit der finanzierten Ausbildung der Oberlin Lebenswelten geht es schon in die richtige Richtung, das finde ich sehr gut. Hier sind aber nicht nur einzelne Arbeitgeber gefragt, sondern die Politik muss nachbessern! Aber das würde ich mir tatsächlich wünschen: Ein duales System mit Ausbildungsvergütung.
Hagen bei der Arbeit
Komm ins Team Oberlin!
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